Sabine Grimkowsky: Was von mir übrigbleibt.
Scherz Verlag, ISBN 3-502-15091-5


Holzkiste oder Designermodell

Der Sarg

Anna Siotto stellt Sargmöbel her, das heißt sie schreinert einen Schrank, der genau die Funktion hat, die ein Schrank haben soll, der aber darüber hinaus später als Sarg zu bnutzen ist. Bestimmte Maße müssen dabei eingehalten werden, aber da sei sie ziemlich variabel, es gebe ja auch bei "normalen" Särgen größere und kleinere, und das unterliege keiner Kontrolle. Hingegen seien die Materialien vorgeschrieben, kein Glas, kein Kunststoff. Den Schränken sieht man ihre spätere mögliche Verwendung kaum an. Nur wenn man es weiß, lassen sich aus der Form Schlüsse ziehen. Das Rückenteil und die Seiten könnte man bei näherem Hinsehen als Sarg identifizieren, innen sind Regale angebracht und die Vorderseite ist schräg geteilt und mit Türen aus Holz und Glas versehen. Bei der Umwandulng vom Schrank zum Sarg wird ein Sargdeckel aufgesetzt. Das Möbelstück kann als Bücherschrank verwendet werden oder für alles, was man so sammelt.

Sargmöbel

Ganz unterschiedliche Reaktionen würde sie mit ihren Sargmöbeln hervorrufen, erzählt die Schreinerin. Manche würden verschreckt einen Schritt zurücktreten, wenn sie im Inneren des Schranks ein Schild entdecken mit der Aufschrift: Dieser Schrank kann auch als Sarg verwendet werden. Manche sehen erst dann näher hin und beginnen zu fragen. Und manche frinden die Idee so attraktiv, dass sie sich so ein Möbelstück bestellen. Das seien Menschen, die sich mit dem Tod intensiv auseinandersetzen oder denen er schon sehr auf den Leib gerückt ist, wie im Falle einer aidskranken Frau. Für sie ist der Gedanke, zu wissen, worin sie beerdigt wird, sehr tröstlich. Man könne sich an die Behausung langsam gewöhnen, ausserdem sei man nicht posthum der Nötigung ausgesetzt, irgendeinen, meist sehr teuren, Sarg zu kaufen. Was für die einen Herantasten an das Haus der letzten Ruhe ist, stellt für die anderen ein abschreckendes Memento Mori dar. Keinesfalls wollen sie täglich an ihre Sterblichkeit erinnert werden.
" Der Tod ist immer noch ein Tabuthema, an das sie nicht denken wollen", sagt Anna Siotto. Die Schreinerin ist froh, dass die harte Kruste um das Tabu Tod aufgebrochen ist, dass heute Gespräche möglich sind, Bestatter neue Wege gehen. Sie stellt neben den Sargmöbeln auch Grabbretter her, einfache Bretter aus schönen Hölzern, die sie bearbeitet, als Alternative zum Kreuz oder zum Stein. Darauf kann der Name des Toten stehen oder nicht, je nach Wunsch. Manche Friedhofsverwaltungen sind nicht ganz damit einverstanden, müssten aber letztlich dem Druck der Kunden nachgeben. Auch in dem Bereich sei vieles in Bewegung. Anna Siotto stellt ihre Sargmöbel auf Ausstelungen aus.